kleine Materialkunde

um restauratorischen Verständnis

Aus Kaolin, einer weissen Tonmasse, fein vermahlenem Feldspat und Quarz (50:25:25) entsteht bei rund 1400°C im Zuge des Brennvorgangs das sogenannte Hartporzellan. Während des Brennens schrumpft die Masse nicht nur um ca. 15% ihres Volumens, sondern bildet völlig neue, kristalline Stoffe. Dieser Prozess der „Sinterung“ ist irreversibel. Daraus folgt logisch, das man Porzellan nicht mit sich selbst restaurieren kann.

Quarzsprung
Viele weitere Faktoren sprechen generell gegen ein nachträgliches Brennen von alten Porzellanstücken. Graue Verfärbungen unter der Glasur sind ebenso  endgültig wie aufgekochte oder verbrannte Dekore. Moderne Öfen sind auf Schnelligkeit und Effektivität ausgelegt. Das konfrontiert uns mit dem Phänomen des „Quarzsprungs“: bei 575°C werden alle Quarzmoleküle schlagartig größer. Weil aber Porzellan stark wärmedämmend ist, findet dieser Quarzsprung nicht gleichmäßig im gesamten Objekt statt. Dabei auftretende Spannungen zerstören altes Porzellan und führen zu Totalschäden.

Zwischenschicht
An der Grenze zwischen Scherben und Glasur liegt die sogenannte „Zwischenschicht“. Eine feine Bläschenschicht bilden sich durch austretende Gase beim Brennvorgang. Eingefroren beim Abkühlen des Porzellanstücks sind sie da. Zerbricht ein glasiertes Stück, öffnen sich tausende dieser winzigen Hohlräume und ziehen mit Kapillarwirkung organische wie anorganische Verbindungen unter die Glasur. Frisch gebrochene Bruchkanten sollten daher möglichst nicht berührt oder behandelt werden!

Verbindungen
Sehr alte Arbeiten mit organischen Harzverbindungen kann man leicht an der dunkelbraunen Farbe ihrer Klebenähte erkennen. Wogegen neuere Wasserglas- oder Kalk-Kaseinkleber transparent oder weißlich aussehen. Letztere lassen sich nur durch mechanische Gewalt lösen, ähnlich wie Restaurierungen / Verschmelzungen mit bleihaltigem keramischen Glaspulver, dem sogenannten Fluss. Diese Technik verspricht sehr dauerhafte Ergebnisse im Bereich  Verbrauchsporzellan sollte aber bei historischen alten Porzellanen nicht zum Einsatz kommen, da der Brennvorgang dort zu irreversiblen Schäden führt (siehe Quarzsprung).

Sauberbrennen
Neben dem „Zusammenbrennen“ ist die Praxis des „Sauberbrennens“ von schwer zu reinigenden Bruchstücken weit verbreitet. Dabei verbrennen zwar alle organischen Substanzen ab 400°C zu Kohlendioxid, jedoch ist das Risiko von endgültigen Schäden an der Originalsubstanz, wie bereits beschrieben, unabwägbar. Typisch für solche irreversiblen Schäden sind graue Ränder am Fuß- oder Sockelring, sowie grauschwarze unregelmäßige Flecken auf der Oberfläche des Porzellans. Diese entstehen durch eingedrungenes Fett, welches unter der Glasur verkohlt, aber nicht oxidieren kann, da die Glasur den Sauerstoff abschirmt.

Klebstoffe
Werkstoffe und Kleber haben ihre speziellen chemischen und physikalischen Eigenschaften und das Wissen darum sollte in einer seriösen  Restaurierungswerkstatt zum Einsatz kommen. Klebe- und Verbindungsstoffe werden von Spezialisten in geeigneten Laboren für viel Geld für höchste Ansprüche (Keramtechnik, Optik, Flugtechnik, Zahntechnik etc.) entwickelt, getestet und ständig optimiert. Geeignete Produkte sind aufgrund der hohen Entwicklungskosten und der komplizierten Herstellung kostenintensiv und lassen sich nicht mit der Qualität handelsüblicher sog.„Porzellankleber“ vergleichen. Auch verlangt der Umgang mit diesen Stoffen ein hohes Maß an Sachkenntnis.

Ungeeignete Kleber sind u.A. Cyanacrylate. Um abbinden zu können, benötigen sog. Sekundenkleber geringe Mengen von Feuchtigkeit. Bruchflächen an Porzellan sind aber dicht gebrannt und können keine Feuchtigkeit enthalten. Deshalb funktioniert die Verklebung nur unzureichend und verunreinigt die Zwischenschicht. Diese lässt sich nach dem Abfallen des Bruchstückes wiederum schwer bis gar nicht reinigen. Die Verwendung solcher Produkte bei porösen Keramiken (z.B. Majolika, Fajencen und Töpferware) führt zu ebenso unbefriedigenden Ergebnissen, da der Kleber völlig vom Scherben eingesaugt wird und die Bruchstellen sich nie mehr zureichend reinigen lassen. Bei allen irreversiblen Verbindungen handelt es sich um Rezepturen mittels niedrig schmelzendem Fluß (Einbrenn-Verfahren) oder um Wasserglas Verbindungen, die aus bereits erwähnten Risiken höchstens bei Gebrauchsgeschirren Verwendung finden sollten.

Retuschen
Geprüfte Materialien sind hoch lichtecht und lassen sich in Farbton und Transparenz jedem Porzellan und seiner Oberfläche angleichen. Die Fließeigenschaften lassen sich gut einstellen, so das feinste Hand/Pinselretuschen möglich sind und großflächige Spritzretuschen, die die Originaloberfläche abdecken überflüssig sind. Auch sollten Ergänzungen und Verbindungsnähte farblich angeglichen sein und der Transparenz des Originalstückes entsprechen, so das die Retusche darüber nur einen partiellen feinen Auftrag bildet, der sich wiederum den angrenzenden Flächen anpasst.

Wertigkeit restaurierter Stücke
Die Frage ob es sich lohnt ein Porzellanstück restaurieren zu lassen kann nicht pauschal beantwortet werden, denn Porzellane und Keramiken haben Kriege und Zeitalter überdauert weil Menschen sie gehütet und kundige Restauratoren den Stücken immer wieder zu ursprünglicher Ästhetik verhalfen. Ihnen verdanken wir sehr viel Wissen über Technik und Kultur. Die Vitrinen in den Museen und Sammlungen wären auch ziemlich mager bestückt, würden all die beschädigten Objekte nie Beachtung gefunden haben oder hätte man sie gar entsorgt. Liebhaber von Porzellan / Keramik und fachkundige verantwortungsbewusste  Restauratoren leisten einen Beitrag zum Erhalt unserer Kultur.